Als Familie gut bis ans Ende der Pandemie kommen

Die Pandemie verlangt Familien weiterhin viel ab. Wie können Familien Energie tanken und Eltern gelassen bleiben? Dabei helfen können zum Beispiel die „Ideen für Familien“. Wie Familien sie nutzen können, sagt Anke Lingnau-Carduck von der DGSF im Interview.

Mit den Fortschritten bei den Impfungen werden die Belastungen bei den Familien zum Glück weniger. Doch das Ende der Pandemie ist noch nicht absehbar. Um die Situation für Familien mit kleinen Kindern etwas zu erleichtern, haben die Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF) in Kooperation mit dem Nationalen Zentrum Frühe Hilfen (NZFH) Ideen entwickelt und gesammelt. Über 70 Ideen für Familien sind mittlerweile auf elternsein.info veröffentlicht. Sie ermöglichen Spiel, Spaß und Entspannung sowie Selbstfürsorge – und lassen sich ganz leicht zu Hause umsetzen. Wie das geht, erklärt die Vorsitzende der DGSF, Anke Lingnau-Carduck, im Interview.

Was brauchen Familien in der jetzigen Phase der Pandemie?

Anke Lingnau-Carduck: Viele Familien haben zwar mittlerweile gelernt, mit den Corona-Maßnahmen im Alltag gut umzugehen. Aber sie sind erschöpft und dünnhäutig. Das Durchhalten darf nicht nur Energie kosten, es braucht auch Tankstellen! Wir alle brauchen Hoffnung auf eine gesunde und gelingende Zukunft.

Was ist das Ziel der „Ideen für Familien“?

Die Ideen sind Methoden, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen aus der Familien- und Resilienzforschung basieren. Sie sind allesamt in der Praxis erprobt und von einem Expertenteam geprüft worden. Sie helfen den Eltern, auch in stressigen Zeiten entspannt und gelassen zu bleiben. Das ist jetzt wichtig in der Corona-Zeit. Aber auch in normalen Zeiten.

Die Methoden machen Freude, sie üben den Umgang mit Gefühlen und das freundliche und wertschätzende Miteinander in der Familie. Sie fördern den familiären Zusammenhalt und das Erleben von Eigenwirksamkeit. Außerdem helfen sie gegen Langeweile und ermöglichen Eltern und Kindern, eine schöne gemeinsame Zeit zu erleben. Mit den schönen Momenten wächst auch die Zuversicht auf eine gelingende Zukunft. Diese Momente stärken die Fähigkeit von Kindern und Eltern, schwierige Momente im Leben zu meistern.

Wie können Familien diese Methoden in ihrem Alltag integrieren?

Eltern und Großeltern stöbern gerne durch die umfangreiche Sammlung und probieren immer wieder etwas Neues aus. Wenn sie eine Lieblingsmethode gefunden haben, setzen sie sie als Ritual ein: einmal pro Woche oder sogar täglich.

Was kann Eltern helfen, mit den alltäglichen Herausforderungen beim Lernen und Arbeiten zu Hause umzugehen?

Hilfreich ist es, eine Tages- und Wochenstruktur zu schaffen. Denn eine verlässliche Struktur gibt uns Orientierung und Sicherheit. Dies gelingt zum Beispiel mit einem Wochenplan, wie bei der Idee Wochen-Kalender. Der Plan soll die Bedürfnisse aller Familienmitglieder berücksichtigen. Er sollte auf einem großen Plakat gemeinsam gestaltet werden und sichtbar für alle an der Wand bleiben.

In einem solchen Plan sind Aktivitäten und Ruhezeiten, Rechte und Pflichten für Kinder und Erwachsene, gemeinsame Zeiten und persönliche Auszeiten für jeden garantiert. Es gibt fest verabredete Zeiten, um gemeinsam schöne Dinge zu tun, Toben und Ruhe, Erleben in der Natur und Spaß an technischen Geräten, kuschelige Momente mit Geschichten oder Musik und hoffentlich auch Blödsinn machen mit viel Lachen.

Die Grenzen zwischen Arbeit, Kinderbetreuung und freier Zeit verschwimmen in vielen Familien. Wo bleibt noch Raum für die Erholung der Eltern?

Die Rückzugsmöglichkeiten der Eltern sind in diesen Zeiten besonders wichtig. Eltern sollten bei Kräften bleiben und ihr inneres Gleichgewicht behalten. So können sie geduldig bleiben und ihre Kinder zuversichtlich begleiten.

Die Zeiten für elterlichen Rückzug sollten mit den Kindern altersangemessen besprochen werden und entsprechend den Bedürfnissen und dem Alter der Kinder einen festen Platz im Tages- und Wochenplan finden. Auch hierfür gibt es Ideen in der Sammlung, wie zum Beispiel Mein Lieblingsort zu Hause. So verstehen Kinder: Jeder braucht einmal Ruhe und die Möglichkeit, sich zurückzuziehen. Sie lernen dabei auch, Grenzen zu achten.

Wie können Eltern gelassen bleiben?

Gelassenheit braucht inneres Gleichgewicht. Eltern sollten herausfinden, welche Dinge sie brauchen oder tun können, um Anspannung körperlich abzubauen und innerlich zur Ruhe zu kommen. Diese Dinge sollten ebenfalls ihren festen Platz im Tages-Plan haben.

Sich selber zu spüren und etwas für das eigene Wohlbefinden zu tun, das ist wichtig für Gelassenheit. Wer es schafft, gelassen zu bleiben, hat viel erreicht!

Für unser inneres Gleichgewicht sind zum Beispiel gut: eine gesunde Ernährung, regelmäßig Bewegung, ein entspannendes Bad oder ein Telefonat mit einer Freundin oder einem Freund.

Die Rubrik Als Eltern entspannt und gelassen bleiben bietet weitere Methoden hierzu an. So hilft zum Beispiel die Black-Box, unangenehme Themen an einen besseren Platz zu bringen. Die rosarote Brille hilft, die Welt mit gelasseneren Augen zu betrachten.

In der Pandemie verbringen Familien mehr Zeit als sonst miteinander. Das ist nicht immer einfach. Wie können sie das Beste aus der Situation machen?

Manchmal fällt es schwer, die Zeit miteinander zu genießen und sinnvoll zu verbringen. Den Familien gehen auch langsam die Ideen aus. In den Rubriken Gemeinsam etwas Schönes tun und Als Familie stark bleiben finden Eltern viele Anregungen für verschiedene Situationen und Bedürfnisse. Manche Idee knüpft zum Beispiel an vergangene Erlebnisse an und die gemeinsame Erinnerung daran stärkt die Familienmitglieder, wie zum Beispiel der See der guten Erinnerungen. Anderes hilft, mit Gefühlen besser umzugehen und gleichzeitig durch Bewegung und Kreativität innere Ausgeglichenheit für alle zu ermöglichen, wie zum Beispiel Ich fühle mich sonnig! Gefühls-Steine. Die Idee Wir backen eine Glückszahl hilft zum Beispiel durch gemeinsamen Genuss ein gutes Stück durch den Tag und der Affen-Pfad bringt Spaß und Lachen in trübe Regentage.

Kann man als Familie der Corona-Zeit auch etwas Gutes abgewinnen?

Unbedingt! Für viele Kinder ist es von unschätzbarem Wert, so viel Zeit mit ihren Eltern verbringen zu dürfen. Außerdem: Gemeinsam krisenhafte Zeiten zu überstehen, das birgt eine große familiäre Kraft. Die Methode Mit Bohnen zu kleinen Glücksmomenten hilft, auch das Gute im Familienalltag der Pandemie zu erkennen. Die Idee Wofür ist eine Krise gut? 10 Fragen für Eltern regt an, darüber nachzudenken: Was hat man in der Krise gelernt? Welche Herausforderungen hat man gut gemeistert?

Welches Potenzial haben die Ideen und Methoden auch über die aktuelle Corona-Situation hinaus?

Der Nutzen und die positiven Effekte dieser Methoden bleiben aber auch nach der Pandemie erhalten. Jede Familie wird auch in Zukunft kleinere und größere Krisen erleben. Familien, die diese Methoden aktiv genutzt haben, werden sich daran erinnern und so manches erneut anwenden. Die Methoden ermutigen Familien aber auch, in Zukunft bei neuen Schwierigkeiten neue Ideen auszuprobieren, die ihnen guttun.

26. Mai 2021